FAZ ruft Fahrradrevolution aus

Artikel, in denen der Aufschwung des Verkehrsmittels Fahrrad besungen wird, erscheinen in der deutschspachigen Presse recht häufig. Möglicherweise werden solche Presseartikel auf Vorrat geschrieben und bei Gelegenheit ins Blatt gerückt, wenn sich nichts Besseres anbietet. Gestern war im Politikteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mal wieder eine Seite frei und Oliver Hoischen durfte etwas über „Die Fahrradrevolution“ in Deutschland schreiben.

Merkwürdig ist nur, dass die Revolution mit Fakten belegt wird, die eigentlich das genaue Gegenteil beweisen. Hoischen  führt an, dass sich im Bundesverkehrsministerium sieben Mitarbeiter um die Förderung des Radverkehrswesens kümmern. Zu rot-grünen Regierungszeiten seien es nur drei Leute gewesen – in der Grundsatzabteilung des Ministeriums. „Nun sind sieben Kollegen dafür zuständig, in einem eigenen Referat.“ Hoischen  lässt offen, wieviel Mitarbeiter des Ministeriums sich mit dem Autoverkehr beschäftigen, aber bei einer Gesamtstellenzahl von 1.600 Mitarbeitern, die im Ministerium beschäftigt sind, sind es vermutlich mehr als sieben.

Hoischen  nennt auch den Etat, der in Deutschland zur Förderung des Radverkehrs ausgegeben wird: einhundert Millionen Euro pro Jahr. Zum Vergleich: der Gesamtetat des Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung liegt bei knapp über 26 Milliarden Euro. Fazit: Die Fahrradrevolution findet nicht statt. Und wenn doch, dann tut sie das nicht wegen sondern trotz der Politik, die im Bundesverkehrsministerium gemacht wird.
FAZ: Die Fahrradrevolution

4 thoughts on “FAZ ruft Fahrradrevolution aus

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  1. Ich finde es gut, wenn sich im Verkehrsministerium auch jemand ums Rad kümmert, die im FAZ-Artikel verbreitete Euphorie kann ich so recht aber auch nicht teilen.

    Vom Bund kommt nicht viel, und die STVO-Änderungen, die im Artikel positiv hervorgehoben werden, kann man durchaus relativieren. So gab es auch vorher eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Kraftfahrzeuge in Fahrradstraßen (die in der Realität NICHTS ändert), und die durchlässige Sackgasse ist kein Pflicht- sondern ein Kann-Schild, das erwartungsgemäß mit wenig Enthusiasmus installiert werden wird. Wenn man schon im Kleinkrambereich etwas für den Radverkehr verbessern will, dann wäre z.B. naheliegend, die Regel „Anlieger frei = Fahrrad frei“ einzuführen. Die theoretischen Änderungen im Radwegbau werden in der Praxis ebenso ankommen wie die von 1998 – nämlich überhaupt nicht. Den Murks, dass je nach Mondstand mal diese, mal jene Ampel für Radfahrer gilt, hätte man zum 1.9.2009 beheben können.

    Der Radverkehrsförderung fehlt es m.E. an Wissenschaftlichkeit und an Prioritäten. Punktuell mögen ganz gute Lösungen gefunden werden, nicht selten fehlt aber die Verknüpfung miteinander. Und so ganz hat man sich von alten Denkmustern auch noch nicht verabschiedet.

  2. Apropos Wissenschaftlichkeit, ein guter Artikel bei Telepolis über die Arbeit des ADACs (sic!) zumThema Fahrrad:

    http://www.heise.de/tp/blogs/6/146572

  3. Danke D, gute Meldung 😉

  4. @radspannerei: hm. Loben ist nicht mehr in? Wenn ich mich in der Presselandschaft umschaue und den BILD-Artikel lese fällt der FAZ-Artikel doch äußerst wohltuend auf. Was will man mehr? Ein sachlich geschriebener Pro-Fahrrad-Beitrag in einer konservativen Zeitung. Genau das brauchen wir, um der Stimmung gegen Fahrradfahrer, die die BILD erzeugt, etwas entgegenzusetzen.
    @berlinradler: dein Beitrag klingt, als hätte sich in den letzten 20 Jahren nichts verändert. Wenn ich mich auf den Straßen umschaue fallen mir – gerade im Nordosten der Stadt – fast täglich neue, breite und komfortable Radstreifen, Radabstellanlagen und abgeschaltete Fahrradampeln auf. Es tut sich etwas! Allerdings führt die Zuständigkeit der Bezirke dazu, dass die Umsetzung von Fahrrad-freundlichen Verkehrsregelungen stark von den Interessen der jeweiligen Bezirksfürsten abhängt. Das fällt mir jedesmal auf, wenn ich z.B. von Pankow nach Wilmersdorf oder Charlottenburg fahre.

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